Kanchanaburi: Die “Todeseisenbahn”
25 03 2012Kanchanaburi hat mir auch deshalb so gut gefallen, weil es viel über neuere Geschichte zu lernen gab, konkret: über den zweiten Weltkrieg. Wenn man in Deutschland aufwächst, lernt man ja ausschließlich über den Weltkrieg in Europa, oder zumindest war das bei mir so. Am Rande kriegt man mit, dass der Weltkrieg irgendwie auch noch in Nordafrika stattgefunden hat und dank dem gleichnamigen Film weiß man von Pearl Habour. Aber warum die Japaner die USA angegriffen haben, wissen wohl die wenigsten. Letztens hab ich mich mit jemandem darüber unterhalten, wie der Weltkrieg im Nahen Osten stattgefunden hat und nun hatte ich also die Möglichkeit, mich mit dem in Asien stattfindenden Teil des Weltkriegs zu beschäftigen. Nachdem ich seit einiger Zeit weiß, dass Japan auch Bomben auf Australien geworfen hat, verstehe ich langsam, warum von einem WELTkrieg gesprochen wird…
Ich gebe jetzt hier nicht alles wieder, was ich gelernt hab, denn das interessiert wohl die meisten von euch nicht. Zwei Sachen sind aber wichtig, um den Bau der “Todeseisenbahn” zu verstehen: 1. Japan hat parallel zum Angriff auf Pearl Habour (1941) sämtliche Länder in Südostasien überfallen. 2. Die Mehrzahl der Länder in Südostasien waren Kolonien von England (z.B. Malaysia) und den Niederlanden (z.B. Indonesien) und auch die Amis waren hier irgendwo, wobei ich nicht genau durchblicke, wo und warum. Das heißt Japan (gleichzeitig Verbündeter Deutschlands) führte Krieg gegen die Niederlande und England. Frankreich war zu dem Zeitpunkt schon von Deutschland besetzt und hatte nicht mehr viel zu kamellen. Statt dessen gab Nazi-Deutschland Japan die Erlaubnis, Militärstationen im französischen Indochina (heutiges Vietnam, Kambodscha und Laos) zu positionieren. Jetzt wird’s schon zu detailliert, aber ich finde das sooooo interessant!!!!! Diese Vernetzung von Politik und Geschichte weltweit, wie alles mit allem zusammenhängt, fasziniert mich. Und jedes Mal, wenn ich etwas darüber lerne, fügt es sich in das Gesamtbild ein wie bei einem Puzzle mit 1000 Teilen. Spannend!!!!
Wie auch immer, Japan überfiel also sämtliche Länder in Südostasien, war ziemlich schnell erfolgreich und machte viele, viele Kriegsgefangene, darunter vor allem Holländer und Briten, aber auch Australier und Amis.
Für seine Kriege brauchte Japan Rohstoffe (die es selbst nicht hatte) und Nachschubrouten. Da es in Birma und in Thailand jeweils eine Eisenbahnlinie gab, kamen die Japaner auf die Idee, beide Linien zu verbinden. Sie waren nicht die ersten, die diese Überlegung anstellten, aber alle, die diesen Bau vorher in Erwägung gezogen hatten, hatten den Plan wegen Nicht-Ausführbarkeit wieder fallen lassen. Japan aber brauchte den Nachschubweg dringend und hatte eins im Überfluss: Arbeitskräfte, nämlich in Form der Kriegsgefangenen. Zusätzlich wurden Asiaten aus den besetzten Gebieten angeheuert, anfangs mit dem Versprechen gute Bezahlung usw. zu erhalten, später wurden sie einfach geschnappt und abtransportiert…
Innerhalb von nur fünfzehn Monaten bauten 200.000 asiatische Zwangsarbeiter sowie 60.000 Kriegsgefangene eine 415Km lange Eisenbahnlinie mitten durch den Dschungel und zwar mit primitivsten Mitteln, förmlich mit den Händen. Ungefähr 90.000 Asiaten und 14.000 Kriegsgefangene (die Zahlenangaben schwanken) verloren dabei ihr Leben durch die Arbeit an sich, durch Unterernährung, Krankheiten oder anderes. Wenn man das weiß, leuchtet auch der reißerische Name “Todeseisenbahn” ein.
Was hat Kanchanaburi damit zu tun? Die Todeseisenbahn (bzw. die dazugehörige Schienenstrecke) führte an der Stadt vorbei. Heute gibt es hier Soldatenfriedhöfe, auf denen tausende beim Eisenbahnbau zu Tode gekommene Kriegsgefangene beigesetzt sind. Außerdem gibt es Museen, eins davon richtig, richtig gut und vor allem ist hier noch ein Teil der Strecke in Betrieb, das heißt man kann mit dem Zug da lang fahren. Zusätzlich ist der sogenannte Hellfire Pass in der Nähe der Stadt, dazu gleich.
Die Umstände, unter denen die Arbeiter die Bahnlinie bauten, können nicht anders als mit “der Horror” beschrieben werden. Es fing schon damit an, dass die Kriegsgefangenen aus Malaysia, Indonesien usw. nach Thailand bzw. Birma transportiert werden mussten. (Der Bau wurde von beiden Seiten begonnen bis man irgendwo aufeinandertraf). Zu diesem Zweck wurden sie in Eisenbahnwagons gepfercht und fast oder komplett ohne Versorgung tagelang durch Asien gekarrt. Nach der Ankunft mussten sie dann oft noch ewig marschieren, z.T. 300Km, bis sie an ihren “Einsatzort” kamen. Kommt einem traurigerweise irgendwie bekannt vor, oder? Zur gleichen Zeit widerfuhr vielen Juden in Europa das gleiche Schicksal. So wurden in Europa und Asien (und womöglich auch noch woanders) Menschen tagelang in Viehwagen durch die Gegend gekarrt. Als mir bewusst wurde, dass das zeitgleich stattgefunden hat, dachte ich, dass die vierziger Jahre des vergangen Jahrhunderts bestimmt eines der schwärzesten Kapitel der Menschheit sind, dass diese Zeit an vielen Orten der Erde einfach schrecklich war und es folglich wirklich kein guter Zeitpunkt war, um ein Mensch auf dieser Welt zu sein.
Am Zielort angekommen, waren sowohl die Lebens- als auch die Arbeitsbedingungen miserabel. Malaria und Cholera waren weit verbreitet, dazu sämtliche Durchfallerkrankungen und ganz schauerhafte Entzündungen von Wunden.
Wie schon erwähnt, standen nur primitivste Arbeitsgeräte zur Verfügung. Es mussten massenweise Felsen beseitigt werden, um die Eisenbahnlinie zu bauen. Dafür gab es lediglich Metallstangen, auf die solange drauf geschlagen wurde, bis sie ein kleines Loch in den Fels getrieben hatten. Dann wurde das Stein”pulver” rausgeholt und die Metallstange wieder angesetzt, bis das Loch tief genug war, um Sprengstoff reinzusetzen. Dann wieder alles von vorne. Wie ewig es braucht, wenn man mit einer Metallstange Löcher in steinharten Fels treiben will, kann man sich wohl vorstellen. Obwohl man es sich gleichzeitig doch nicht vorstellen kann.
Nachdem die Japaner beschlossen hatten, dass der Bau der Linie beschleunigt werden müsse, wurde Tag und Nacht in Schichten gearbeitet und zwar in Schichten von 14 bis 18 Stunden täglich. Und das bei unglaublicher Hitze und Schwüle, bei Regenzeit nicht nur mit Regen, sondern auch im Schlamm.
In der Nähe von Kanchanaburi liegt der schon angesprochene Hellfire Pass. Dort kriegt man eine Ahnung davon, was es hieß, hier zu arbeiten: Wie hart und mühsam die Arbeit war und welche Hitze die Arbeiter aushalten mussten. Hier ein paar Bilder der Einschnitts, der laut Wikipedia praktisch mit “Hammer und Meißel” in den Berg geschlagen wurde. Einfach krass:
Wenn man das sieht, versteht man auch, dass es sich nicht um Sandstein oder so handelte, sondern einfach um steinharten Fels, wie er wohl härter nicht sein kann. Dazu die Vegetation, die natürlich erst einmal zur Seite geschafft werden musste. Wie es früher hier aussah, erahnt man anhand des Ausblicks:
Größenverhältnisse:
Der Hellfire-Pass hat seinen Namen daher, dass hier ja auch bei Nacht gearbeitet werden musste. Als Lichtquellen dienten Lagerfeuer und Öllampen. Bei diesem flackernden Licht und dem Anblick der ausgemergelten, schwer arbeitenden Gestalten, fiel die Assoziation zur Hölle wohl nicht schwer…
Wichtig und dabei extrem riskant und schwierig war der Brückenbau. Da es in der Region viel Wasser gibt, wurden sage und schreibe 688 Brücken gebaut, davon jedoch nur acht aus Stahl und der Rest aus Holz, weil es an Baumaterial fehlte. Wie groß der Mangel an Material war, zeigt die Tatsache, dass Brücken z.B. in Java komplett abgebaut und in den Norden transportiert wurden, um dort wieder aufgebaut zu werden. Eine aus Holz gebaute Brücke ist glaube ich ganze drei Mal wieder eingestürzt (sie erhielt den Beinamen “Kartenhausbrücke”), bevor sie endlich hielt. Das stelle ich mir noch schlimmer vor, als die Arbeit sowieso schon gewesen sein muss: Dass das, was man mühsam gebaut hat, einfach wieder einstürzt und man es neu bauen muss. Und wieder. Und wieder. Und man weiß nicht, wie oft noch.
Eine der Brücken ist diese hier. Wahnsinn, wie sie die gebaut haben (geht hinten weiter, seht ihr?)
Die gleiche Strecke:
Das ist die Strecke, die auch heute noch befahren wird, was ich auch gemacht hab. Ich hatte die Hoffnung, dass man eine Idee davon bekommt, wie es früher hier ausgesehen hat, also durch was für eine Landschaft die Bahnlinie gebaut wurde, aber das war wohl etwas naiv: das ganze Gebiet wird bewirtschaftet, man sah also nur Felder rechts und links. Aber die anfängliche Aussicht auf den Fluss war toll:
Ich kann euch hier nur einen kleinen Einblick von all dem geben, was es hier zu erfahren gibt. Es sind so viele Details! Und ich war mal wieder unendlich froh, alleine und nicht in einer Reisegruppe unterwegs zu sein, denn so konnte ich mich im Museum ganz ohne Zeitdruck in die Informationen vertiefen. Zwei Stunden habe ich dort verbracht und Unmengen gelernt.
Hier noch ein Foto von einem der Friedhöfe, dem größten, der den Opfern unter den Kriegsgefangenen gedenkt:
Was ich übrigens ziemlich befremdlich fand, war dass in allen Museen und Gedenkstätten vor allem von den Kriegsgefangenen die Rede ist. Jeder, der sich nur oberflächlich damit beschäftigt, muss den Eindruck bekommen, dass vor allem diese Kriegsgefangenen die Todeseisenbahn bauten. Dabei stellten die asiatischen Zwangsarbeiter mit der über dreifachen Anzahl die weit größere Gruppe da. Trotzdem werden die Kriegsgefangenen auf sämtlichen Gedenk- und Informationstafeln zuerst genannt und es gibt nur für sie Friedhöfe. Daran merkt man wohl, dass die Informationsstätten weitgehend vom nicht-asiatischen Ausland finanziert werden. Traurig, dass sogar bei solchen Themen Unterschiede zwischen den Menschen gemacht werden.
Kategorien : Thailand
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