Update

23 12 2011

So, jetzt kann ich euch ja endlich darüber aufklären, wo ich mich befinde.. Ich bin in Israel! Mit meinem Bruder 🙂 Wir sind vorgestern in Tel Aviv angekommen, haben uns aber am nächsten Tag direkt nach Jerusalem aufgemacht, was sich als gute Entscheidung erwiesen hat. Demnächst schreib ich auch mal etwas mehr dazu, aber im Moment will ich lieber das Zusammensein mit meinem Bruder genießen.

Ich hab gerade den Eintrag über Qom hochgeladen, damit ihr noch ein bisschen im Iran schwelgen könnt, während ich schon weiter bin… Der Abschied war eeeeeecht hart!!!!! Der Abschied von der Familie, aber auch vom Land…. da sind echt Tränen auf allen Seiten geflossen… 🙁

Die Tage in Dubai waren gut, interessante Stadt und ich hoffe, ich komme dazu, demnächst mal meine Eindrücke hier mit euch zu teilen.

Morgen geht’s aber erst mal nach Hebron und zwar mit einer politischen Tour – juhu, bin megagespannt!!!!!!!!

Ach ja, morgen ist ja Weihnachten, also wünsche ich euch allen ein wunderschönes Fest, leckeres Essen und ein schönes Beisammensein mit euren Lieben! Ihr könnt ja mal an mich denken 😉



Qom – religiöses Zentrum des Iran

23 12 2011

“Was willst du denn in Qom?”, “Nee, fahr da nicht hin..” So und ähnlich lauteten fast ausnahmslos die Reaktionen derjenigen Iraner, denen ich erzählte, dass ich unbedingt nach Qom will.

Qom liegt etwa 150 km südlich von Tehran und verfügt über eine der heiligsten Stätten der Schiiten: die Grabmoschee der Fatima. Diese war Schwester des siebten und Tochter des achten Imam (der in Mashad beigesetzt ist). Im Jahr 816 unternahm sie eine Reise, auf der sie schwer erkrankte. Daraufhin wurde sie nach Qom zurück gebracht, wo sie starb und beigesetzt wurde. Das Grabmal hatte anfangs nur regionale Bedeutung, mittlerweile pilgern jedoch Millionen von Schiiten jährlich dorthin.

Im letzten Jahrhundert erlangte Qom zudem durch seine Religionsschulen große Bedeutung. Viele wichtige Persönlichkeiten der iranischen Politik haben ihre Ausbildung in Qom erhalten, so auch Khomeini, der Führer der Revolution von 1979.

Wie man sich denken kann, ist Qom noch “chadorianer” als Kashan. Zwei der Schwestern meiner Freundin meinten, sie wollten besser nicht aus dem Auto aussteigen, weil sie mit ihren Mantos (und ihren geschminkten Gesichtern) nicht angemessen gekleidet waren. Also sind wir erst nur am Heiligtum vorbeigefahren, das man schon von weitem sah:

IMG_8768 Qom kompr. 

Und Mullahs überall! Mullahs sind schiitische Gelehrte, die unter anderem eine Art Turban tragen und zwar entweder einen schwarzen oder einen weißen. Der schwarze zeigt, dass die Person direkt von einem der zwölf Imame abstammt, der weiße ist ein Normalo.

Auf dem obigen Foto seht ihr also einen besonderen Mullah (wenn ihr ihn überhaupt seht, weil er so dunkel gekleidet ist Zwinkerndes Smiley), einen Nachfahren eines Imam, während das folgende Bild einen Normalo-Mullah zeigt:

IMG_8771 kompr.

Zurück zum heiligen Schrein, an dem wir erst mal vorbei gefahren sind, wobei mein Herz blutete, weil die Mädels aufgrund des fehlenden Tschadors nicht aussteigen wollten!! Bevor ich in Tränen ausgebrochen bin, haben sie dann aber doch noch eine Lösung gefunden und die konservativste Schwester hat sich mit mir aus dem Auto gewagt!! Nach ein paar Metern waren wir auch schon am Eingang, wo wir uns dann schnell einen Tschador übergeworfen haben. Und dann nochmal ein aufregender Moment: Komme ich überhaupt rein?! Denn Nicht-Muslimen ist der Zutritt eigentlich verboten, weshalb ich keinesfalls meinen englisch sprechenden Mund aufmachen durfte! Aber keiner hat was gesagt (juhuuuuu!!!!) und schon war ich mittendrin und ließ mich mit offenem Mund von meiner Begleiterin durch das Heiligtum ziehen.

Wow! Mann, bin ich froh über diese Erfahrung!!!! Eigentlich hatte ich kaum Zeit, die Schönheit des Ortes und seiner Architektur zu würdigen, zu groß waren das Gedrängel und die Eindrücke, die auf mich einströmten. Da ich aber mittlerweile schon mehrere solcher Heiligtümer gesehen hab (allen voran das in Rey, das ich noch viel beeindruckender fand als das in Qom), war das halb so schlimm und ich konnte mich voll auf das Gewusel konzentrieren.

Drei Mal dürft ihr raten: Man durfte drinnen keine Fotos machen und so kann ich als Beweis nur das folgende Foto im Innenhof anführen:

IMG_8775 kompr.

Dann das übliche Prozedere: Fraueneingang suchen, Schuhe ausziehen, in eine Plastiktüte stecken (die man irgendwie zusätzlich zum Tschador festhält), nochmal Kopftuch und Tschador zurechtrücken, damit keine Haare raus kucken und dann – Vorhang auf (wirklich!) und ich bin mittendrin. Um mich herum lauter schwarz verschleierte Frauen, die sich gegenseitig nach vorne schieben, der Geruch von verbrauchter Luft und ein Geräuschpegel, bei dem ein katholischer Priester wahrscheinlich in Ohnmacht fallen würde. Ein kleines Kind schreit, die Frauen rufen sich gegenseitig etwas zu und alle drängen zum etwa 2,50m hohen Schrein, der zur Hälfte von der Frauen- und zur anderen Hälfte von der Männerseite zugänglich ist. Mittendrin im Gewühl stehen streng verschleierte Frauen mit Staubwedeln, die die Menge dirigieren, mit ihren Staubwedeln gegen Fotoapparate klopfen, um das Fotografier-Verbot durchzusetzen oder auf zurückgerutschte Kopftücher und Tschador hinweisen.

Ich stehe ca. 5 Meter vor dem Schrein, vor mir ein drängendes Frauenmeer. Alle wollen unbedingt den Schrein berühren! Nachdem ich einmal halbherzig und natürlich erfolglos den Versuch gestartet hab, in die Nähe des Objekts der Begierde zu gelangen, sage ich meiner Begleiterin, dass es mir wirklich nicht wichtig ist, den Schrein zu berühren. Sein Anblick und der der Frauen davor genügen mir schon. Aber sie besteht darauf und da ich nicht unhöflich sein will, stürze ich mich in den Kampf (denn es ist ein Kampf) und – es hat sich gelohnt! Das Gedrängel war schlimmer als auf einem Kelly-Konzert, denn wie ich schon öfter bemerkt hab, sind die Iraner sehr gut im drängeln, während ich totale Hemmungen hab, irgendwen nach vorne oder zur Seite zu schubsen oder gar meine Ellbogen einzusetzen! Meine Freundin erzählte mir später von ihren Erfahrungen im heiligen Schrein in Mashad: während sie versucht den Schrein zu erreichen, fing die hinter ihr stehende Frau doch tatsächlich an, ihr auf den Kopf zu hauen, um sie aus dem Weg zu drängen!!!!!!! Was hat das alles mit Glaube und Religion zu tun? fragte ich mich, während ich mich vorkämpfte, wobei ich natürlich meinen Tschador nicht loslassen durfte. Und dann — dann habe ich ihn berührt! Zwar nur mit der Fingerspitze, aber das war genug. Schwupp die wupp, war ich auch schon wieder zurückgedrängt worden, nur ein Teil meines Tschadors hing noch zwischen den Frauen! Aber ich konnte ihn befreien und wir gingen weiter. Überall Frauen, stehend, schubsend und auf dem Boden sitzend, betend oder den Koran lesend. Wie haben sie die Ruhe dazu?? fragte ich mich erstaunt, während ihnen andauernd jemand vor der Nase herumläuft und es total laut ist? Dieses Geheimnis konnte ich nicht lüften…

Weiter ging es. Alle Räume sind mit Teppichen ausgelegt – logisch, dass man da hin und wieder mal staubsaugen muss! Und so war es dann auch, zwischen den betenden und telefonierenden (!) Frauen wurde gestaubsaugt, während meine Begleiterin mich weiter hinter sich her zog, Hand in Hand, um uns nicht zu verlieren. Ups, da bin ich jemandem auf dem Tschador getreten – sorryyyyyyy…. Mein Tschador rutscht, aber der meiner Begleiterin zum Glück auch, es geht also wohl allen so…

Wo ist denn jetzt der Ausgang? Nee, falscher Vorhang. Weiter. Ein Mädel telefoniert nicht nur, sondern lädt ihr Handy gleichzeitig an einer der Steckdosen auf. Ich bin weiterhin sprachlos und staune.

Dann plötzlich: der richtige Vorhang und wir sind wieder draußen an der kalten Luft. Wow – was für eine Erfahrung!!

 

Nachtrag: Es liegt mir fern, mich über irgendetwas lustig zu machen. Ich staune einfach nur darüber, wie unterschiedlich Glaube und Kultur in den verschiedenen Ländern Ausdruck finden! Für meine Begriffe sind die Ruhe, die Stille, die Möglichkeit der Einkehr und der Respekt voreinander wesentliche Bestandteile des Christentums und auch, wenn ich nicht religiös bin, bin ich doch in dieser Kultur aufgewachsen und habe diese Vorstellungen übernommen. Jetzt zu sehen wie Menschen ihre Religion praktizieren, offensichtlich ohne Wert auf diese Dinge zu legen, lässt mich einfach staunen.

Und noch ein kleiner Nachtrag: Mir wurde gesagt, dass zur offiziellen Gebetszeit Ruhe einkehrt.