Lektion Loslassen lernen

13 11 2011

Was sich so einfach anhört, ist oft sooo schwer: loslassen. Hier bin ich dauernd damit konfrontiert, loslassen zu müssen und wenn ich es auf dieser Reise nicht lerne, dann wird das wohl auch nichts mehr..

Es ist wohl normal, dass man auf einer Reise versucht, alle Erlebnisse festzuhalten, sei es in Gedanken oder sehr oft auch mithilfe von Fotos. Aber schon jetzt, nach “nur” fünf Wochen im Iran, hab ich um die 2300 Fotos gemacht. Dass das nicht so weitergehen kann, ist ja wohl klar. Erstens, weil sich diese riesigen Datenmengen kaum noch händeln lassen und zweitens, weil ich dann auf meine Reise hochgerechnet ca. 14.000 Fotos machen würde, die selbst ich mir danach im Leben nicht mehr ansehen würde.

Die einzige Lösung heißt: loslassen. Die Kunst, einen Augenblick zu genießen, ohne ein Foto davon zu machen, d.h. ohne den Wunsch zu verspüren, ihn für die Ewigkeit festzuhalten. Ganz schön schwierig und doch notwendig. Ich muss wohl akzeptieren, dass ich mich einfach nicht an alles erinnern KANN, was ich sehe und erlebe, ich kann mir nicht jedes schöne Blumenmuster an der Wand einer Moschee oder jeden Augenblick beim Durchfahren einer faszinierenden Wüstenlandschaft merken und auch mit noch so vielen Fotos wird es mir nicht gelingen. Wichtig ist demzufolge der Augenblick: das Genießen in dem Moment, in dem ich diesen erlebe und zwar unabhängig davon, ob ich mich daran später noch erinnern kann oder nicht.

Dieses Loslassen zu lernen und nur den Augenblick zu genießen ist etwas, was ich wohl lernen soll auf dieser Reise. Und zum Glück habe ich dafür noch relativ viel Zeit Zwinkerndes Smiley

PS: Das heißt natürlich nicht, dass ich gar keine Fotos mehr machen will, ist ja klar. Nur sollte ich eben nicht mehr jede Blume der Moscheeverzierung einzeln fotografieren…



Wunderbares Yazd

13 11 2011

Yazd war toll! Alles war super, die Stadt, das Hostel, die Umgebung, das Essen und ich hab auch nette Leute kennengelernt. Ursprünglich wollte ich zwei, eventuell drei Nächte bleiben, aus denen schlussendlich sechs wurden Smiley Wie schön ist es doch, wenn man Zeit hat beim Reisen!!

Für die meisten Iraner ist Yazd überhaupt nichts besonders und dazu mit seinen 350.000 Einwohnern eine totale Kleinstadt. Aber ich fand’s einfach toll. Es stimmt schon, dass Yazd nicht gerade viele Sehenswürdigkeiten hat, aber ich fand es einfach schön, herum zu schlendern und abgesehen davon gibt es in der näheren Umgebung (in der Wüste) einiges zu sehen.

Die Altstadt besteht aus einem drei Quadratkilometer großen Gassengewirr aus Lehmbauten und das Unglaubliche war: es herrschte absolute Stille!! Manchmal kam eine Fliege vorbeigesummt und hin und wieder knatterte ein Motorrad vorüber, aber sonst – nichts, absolut nichts, kein Geräusch! Dabei ist Yazd keine Geisterstadt oder so, nur ist die Altstadt unter der Woche offensichtlich nicht sehr belebt.

Die Gassen der Altstadt sind recht eng und häufig überdacht, natürlich um Schutz vor der Sonne zu bieten, denn im Sommer wird es hier sauheiß, wie man sich ja denken kann.

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So etwas wie der zentrale Platz:

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Und hier der Hauptverkehrsknotenpunkt: Zwinkerndes Smiley

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Bekannt ist Yazd für seine Windtürme, die man auf dem ersten Foto an mehreren Stellen aufragen sieht. Lange bevor es Klimaanlagen gab, wurden diese genutzt, um die Häuser zu kühlen. Wie der Name schon erahnen lässt, wird durch die Türme jedes kleinste Windchen eingefangen, in das Haus hinuntergeleitet, der Wind “fegt” einmal hindurch und dann wieder hinaus. Ich habe ein sehr schön restauriertes Hotel besucht (es hat für die Restaurierung sogar einen Ehrenpreis von der Unesco bekommen!), in dem die Windtürme immer noch in Gebrauch sind und es ist wirklich unglaublich, wie stark die Kühlung ist, die sie erzeugen. Bestimmt 10 Grad Unterschied.

Die Windtürme wurden auch zur Kühlung von Wasser in Wasserreservoirs eingesetzt, die es ebenfalls vielerorts zu sehen gibt:

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In der Nähe der Reservoirs führt immer eine Treppe tiiiiiiiief hinab, an deren Ende sich ein Wasserhahn befindet, aus dem die Leute dann das Wasser zapfen und mit nach Hause nehmen konnten. Bevor es zu Missverständnissen kommt: Im Iran gibt es fließend Wasser, die Reservoirs sind also nicht mehr in Gebrauch Zwinkerndes Smiley

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Ich habe ein tolles Mädel in Yazd kennengelernt, eine 28-jährige Iranerin, die Englisch studiert und nebenher in der Tourismus-Branche arbeitet, um ihr Englisch anwenden zu können, denn ihre Familie würde nie erlauben, dass sie allein in ein Englisch sprachiges Land geht. Sie war so süß, so lieb und so toll! Wir haben uns lange unterhalten und sie hat mir sogar erzählt, dass sie einen Freund hat (von dem ihre Familie natürlich nichts wissen darf), dessen Heiratsantrag sie aber abgelehnt hat, weil sie nicht heiraten möchte. Wow! Erstauntes Smiley

Bevor die Araber im 7. Jahrhundert den Islam in den Iran brachten, war die zarathustrische Religion hier vorherrschend. In Yazd leben immer noch relativ viele Leute, die dieser Religion anhängen und es gibt einige Sehenswürdigkeiten in der Stadt und der Umgebung, die mit den Zarathustriern verbunden sind, so z.B. der Feuertempel, in dem man ein Feuer bestaunen kann, das angeblich schon seit 470 n.Chr. brennt.

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Der Tempel und erst recht das Feuer waren nicht sehr spektakulär. Trotzdem war es ganz interessant, weil man Auszüge aus dem heiligen Buch der Zarathustrier lesen konnte, so dass ich einen kleinen Eindruck von dieser so alten Religion bekommen hab.

Die Zarathustrier haben drei Grundsätze: Good words, good thoughts, good deeds. Eigentlich hört sich alles, was man so lesen kann, gut an, z.B.: “The wise man, through love and faith towards God (which is the actual source of truth), shall teach evil-doers and those who have gone astray, good actions and love. Ultimately, all wicked people (by learning the truth), shall come towards you, O Mazda Ahura.” Auf mich wirkt diese Religion sehr tolerant, nicht so sehr auf Gott bezogen, sondern eher darauf, Gutes zu tun. Aber dann wurde mir auch das Problem klar: Alles ist viel zu allgemein formuliert und viel zu schwarz-weiß. Natürlich sollen alle Gutes tun und Böses vermeiden und manchmal ist es wohl auch einfach das zu differenzieren, aber oft eben auch nicht. Was gut ist und was nicht, was die Wahrheit ist, all das wird glaube ich nirgends spezifiziert. Trotzdem sind die drei Grundsätze sicherlich gute Leitsätze, wobei ich annehme, dass sich ähnliches wohl in allen Religionen finden lässt. Aber da bin ich nun wirklich kein Experte, daher beende ich dieses Thema jetzt. Zwinkerndes Smiley

Zurück zu Bodenständigerem: Ich habe mir eine Vorführung eines traditionellen iranischen Kraftsports angesehen: Zurkhaneh. War echt mal ein Erlebnis! Eigentlich ist es so wie einem Haufen Männern beim Fitnesstraining zuzusehen: Ca. 15 Männer (Frauen dürfen nicht mitmachen) machen Sport in einer Arena, während zwei Männer trommeln und einer laaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaut, gaaaaaanz laut mystische (so stand’s im Reiseführer..) Lieder singt. Anfangs werden “nur” Liegestützen und ähnliche Aufwärmübungen gemacht..

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..später werden die Bewegungen dann zum Teil etwas kriegerischer und Holzkeulen werden geschwungen, die jeweils (jeder hat zwei) zwischen 5 und 40 (!) Kg wiegen:

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50 Minuten dauerte die Vorstellung und die Männer haben so gut wie keine Pause gemacht, echt totaaaal krass. Am Ende waren noch zwei übrig, die dann anfingen, schwere Ketten zu schwingen – wow. Ich war begeistert Smiley mit geöffnetem Mund:

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Lustig fand ich auch die Kombination dieser zwei Bilder an der Wand, haha:

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Die Sportart geht auf die alten Perser zurück, also auf die vorislamische Zeit im Iran und war zwischenzeitlich verboten. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, wurde sie auch nach der islamischen Revolution verboten, allerdings wurde dieses Verbot irgendwann aufgehoben, weil es eh niemand befolgte. Es ist aber kein Volkssport, den jeder ausübt, sondern wirklich eine traditionelle Sportart, an der – wie das bei traditionellen Dingen meistens ist – immer weniger Leute teilnehmen.

Während ich mir da die sportenden, zum Teil seeehr muskulösen Männer ansah, habe ich mich gefragt, wen sie damit eigentlich beeindrucken wollen: Frauen? Feinde? Andere Männer? Oder wollen sie sich selbst etwas beweisen? Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen… Die Antwort bleibt offen, aber es war ein Erlebnis!

Direkt vor der Tür dieser Arena befindet sich das Wahrzeichen von Yazd, das ich euch natürlich nicht vorenthalten will:

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Auch bei Nacht schön:

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Und auch mit einer Bella davor Zwinkerndes Smiley:

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Und zum Abschluss noch ein Foto vom Abendessen im gemütlichen Hostel. Da habe ich übrigens auf mein Kamel-Gericht gewartet Zwinkerndes Smiley Das Mädel links kommt ursprünglich aus der Ukraine, lebt aber seit 12 Jahren in Frankreich (sie war mit ihrem Mann unterwegs, der das Foto gemacht hat) und das Mädel in der Mitte kommt aus Malaysia. Mit der Ukrainerin und ihrem Mann hab ich die zweite Wüstentour gemacht und da wir uns gut verstanden haben, waren wir auch noch am nächsten Tag zusammen unterwegs. Ihr Mann hat eine sehr gute Kamera, mit der er viele, viele Fotos macht, aus denen er anschließend ein Buch bastelt. Sein Buch über den Iran sollte so im Mai fertig sein, ich bin also gespannt!!

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