Jerusalem (Teil 1) – Touri-Impressionen
4 01 2012Um es mal gleich von Anfang klarzustellen: Jerusalem ist eine super Stadt!! Der erste Eindruck:
Im Gegensatz zu Tel Aviv ist Jerusalem sehr atmosphärisch, außerdem schön und natürlich superinteressant! Egal, ob man an Historischem (Ausgrabungen etc.), Religiösem (muslimisch, jüdisch oder christlich) oder Politischem interessiert ist – hier findet man alles. Unser Schwerpunkt lag – klar – auf dem politischen, worüber ich euch noch viiiiiiiel erzählen werde! (Hoffe ich zumindest, haha.) Aber bevor wir uns in die traurige Realität vertieften, ließen wir uns erst mal von der Fassade beeindrucken und erkundeten die Altstadt, die bis heute komplett von der aus dem 16. Jahrhundert stammenden und gut erhaltenen Stadtmauer umgeben ist.
Paaaalmen!! (Vor der Stadtmauer)
Die Altstadt unterteilt sich in vier Viertel: Das jüdische, das muslimische, das christliche und das armenische. Es ist krass, wie man den Übergang von einem Viertel ins andere, speziell natürlich vom jüdischen ins muslimische, merkt. Plötzlich steht dort alles auf arabisch, die Kleidung der Menschen ändert sich radikal und irgendwie wirkt alles – im positiven Sinne – etwas chaotischer.
Wirklich faszinierend war es für mich, so viele ultraorthodoxe Juden zu sehen (es waren wirklich sehr, sehr viele), die ich bisher nur aus Dokumentarfilmen über den zweiten Weltkrieg oder Filmen kannte. Neben den Hüten, die man auf dem Foto unten sieht, sieht man manchmal auch große, pelzbesetzte Hüte, die sich nach oben nicht verengen(weiß leider nicht, was es damit auf sich hat). Bei Regen werden die Hüte durch eine Plastikhülle in der Form des jeweiligen Hutes bedeckt, was ich sehr lustig fand. Außerdem tragen die Männer die bekannten Stirnlocken, lange schwarze Mäntel und häufig einen Bart.
(Irgendwie lustig der Typ vorne mit den Kopfhörern ).
Es gibt auch viele Männer und Jungs, die “normal” gekleidet sind, also mit Jeans und Pullover, aber ein Großteil trägt dabei die Kippa (dieses kleine flache Hütchen), die häufig mit einer Haarspange befestigt wird. Sie wird auch schon von kleinen Kindern getragen. Hier ein Bild von ein paar Jugendlichen abends in der Kneipe (oder besser gesagt auf der Terrasse).
Mir war nicht bewusst, dass auch die jüdischen Frauen einer Art Kleiderordnung folgen: Rock bis kurz über die Knie, darunter eine dunkle Strumpfhose (weiß nicht, ob sie die auch im Sommer tragen) und eigentlich immer flache Schuhe. Außerdem tragen die religiösen Frauen ein Tuch auf dem Kopf, das aber hinten zusammen gebunden wird und dadurch auf mich etwas bäuerlich wirkt.
Hier einige Bilder der engen Altstadtgassen:
Der Touri-Teil mit den typischen Souvenir-Geschäften…
…in denen man beispielsweise solche T-Shirts erstehen kann… hihi, lustig!
Ok, das folgende ist keine Altstadtgasse, aber trotzdem gut
Lustig:
Dann kam das Highlight… Der Platz mit der Klagemauer, hinter der sich der Tempelberg mit dem Felsendom und der AlAqsa-Moschee erhebt. Davor musste man allerdings eine Sicherheitsschleuse passieren, also die Tasche durchleuchten lassen und durch einen Metalldetektor latschen.
Das erste Mal auf diesem Platz vor der Klagemauer mit dem Felsendom im Hintergrund zu stehen, war sehr bewegend. Dazu kam, dass wir großes Glück hatten und zu Ehren des jüdischen Chanuka-Festes eine Band spielte, erst sehr langsame und traurige Musik und dann fröhliche Stücke. Der Platz war voll und viele Leute nahmen sich an den Händen und fingen an im Kreis zu tanzen – es war einfach toll!
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir der absolute Anfängerfehler passiert ist: meine BEIDEN Foto-Akkus waren leer!!! Aaaaah! Deshalb gibt’s keine Fotos der tanzenden Leute, sondern nur Bilder, die sich auch am nächsten Tag noch machen ließen:
Hinten die Klagemauer – klar. Touristen dürfen nur bis zu der kleinen Mauer kommen, die man weiter vorne sieht. Die Juden beten (ebenso wie die Moslems übrigens) getrennt – Männer links und Frauen in einem kleinen abgeteilten Platz auf der rechten Seite.
Ganz links sieht man den Felsendom mit seiner wunderschönen vergoldeten Kuppel. Es handelt sich übrigens um ein muslimisches Bauwerk, was mich sehr erstaunt hat, denn ich hatte das Wort “Dom” immer mit dem Christentum assoziiert. Naja, deshalb reise ich ja: um zu lernen
Die Geschichte, warum der Felsendom hier steht, hat mich etwas schmunzeln lassen… Als der islamische Prophet Mohammed nämlich von hier ins Paradies aufgestiegen ist, hat sein Pferdchen dort einen Hufabdruck hinterlassen. Einige Jahrzehnte später wurde der Felsendom über den Hufabdruck-Felsen gebaut, der genau genommen keine Moschee, sondern eben ein Schutzbau ist (sagt zumindest mein Reiseführer..).
Ganz rechts auf dem Bild sieht man die etwas unscheinbare Kuppel der AlAqsa-Moschee, die ursprünglich eine christliche Basilika war. Leider bleibt Nichtmuslimen der Einritt in beide Bauwerke verwehrt, aber von außen sieht es ja auch sehr schön aus
Hier ein Foto vom Platz vor der Klagemauer aus:
Und hier ein paar Bilder von oberhalb des Platzes:
Happy mit meinem Bruder!!!!
Wer weiß noch nicht, dass ich Flaggen so gerne mag??
Der Tempelberg ist für Muslime übrigens nach Mekka und Medina die heiligste Stätte der Erde. Aber auch für die Juden ist er zentral, denn sie glauben, dass in der Mitte des Berges der Grundstein der Welt liegt und dass Adam hier geschaffen wurde. In der fernen Vergangenheit wurden auf dem Berg zwei jüdische Tempel errichtet und wieder zerstört. Dazu wurde der Berg aufgeschüttet und von Stützmauern umringt. Die Klagemauer (die übrigens mittlerweile lieber Westmauer genannt wird) ist ein Überbleibsel dieser Stützmauern. Die Juden beten dort als Zeichen ihres Glaubens an den Wiederaufbau des zerstörten Tempels.
Jetzt noch etwas ziemlich Abgedrehtes am Rande des Platzes:
Na, wer weiß was das ist? Jawohl, ein Bombenmülleimer. Sieht man ja wohl auf den ersten Blick. Wird eine Bombe entdeckt, steckt man sie einfach da rein und sie kann dort in Ruhe explodieren. Das ist echt wahr! Ich hab die Soldaten gefragt, die in der Nähe standen. Tsss..
Womit wir schon beim nächsten Thema wären: Den Soldaten. Ehrlich gesagt hatten wir mit noch mehr Militär überall gerechnet, auch mit mehr Kontrollen, aber auch so standen überall genug Soldaten rum. Viele Dinge waren auffällig (ich mische da jetzt mal Infos rein, die ich später bekommen hab):
1. Die Mädels und Jungs, die da mit ihren Maschinengewehren lässig rumstehen, sind extrem jung. Die meisten von ihnen leisten wohl ihren Wehrdienst, der für Jungs drei Jahre dauert (ich wiederhole DREI! In der Zeit kann man ein Bachelor-Studium abschließen…) und für Mädels zwei. Er ist für alle Juden obligatorisch und kann nicht umgangen werden (Christen und Muslime können sich freiwillig melden). Ich weiß nicht, wie es bei den Jungs ist, aber die Mädels können entscheiden, ob sie die Kampfausbildung kriegen oder in der Administration arbeiten. In letztem Fall absolvieren sie nur eine kurze Grundausbildung, die drei Wochen dauert (in der Zeit lernen sie Sachen, wie sich morgens in sieben Minuten fertig zu machen und wohl noch anderes) und werden dann eben in der Administration eingesetzt. Um den richtigen Job zu finden, werden anfangs zahlreiche Tests gemacht, um die Präferenzen und Fähigkeiten der Wehrdienstleistenden herauszufinden. Der Job beim Militär stellt nach dem Wehrdienst einen wichtigen Punkt im Lebenslauf dar.
Damit die Jungs und Mädels fit bleiben und als Reservisten zur Verfügung stehen, werden sie nach dem Wehrdienst jährlich für vier Wochen zurückgeholt (Männer bis zu 55. Lebensjahr und kinderlose Frauen bis zum 34. Lebensjahr).
2. Die Jungs, die als Soldaten auf der Straße eingesetzt werden, sehen oft sehr, sehr arabisch und überhaupt nicht jüdisch aus.
Die Juden in Israel teilen sich grob in zwei Gruppen (deren Namen ich vergessen habe): Juden, die aus dem Westen stammen und helle Haut haben und solche, die aus arabischen Ländern stammen (z.B. Irak, wo sie natürlich eine Minderheit darstellten). Die zweite Gruppe wird durch die erste nicht sehr hoch angesehen und wurde lange Zeit diskriminiert.
Die erste Gruppe teilt sich noch einmal auf: in Juden aus dem Westen (insbesondere aus Russland), die sich schon Ende des 19. Jahrhunderts im damaligen Palästina ansiedelten und die Gründung des Staates Israels entscheidend vorantrieben.
Die zweite große Gruppe sind die Holocaust-Überlebenden, die von den Russen als minderwertig betrachtet werden, weil sie sich (Achtung!) während des zweiten Weltkriegs von den Deutschen wie Lämmer haben zur Schlachtbank führen lassen anstatt sich zu wehren. Sie werden als schwach betrachtet. (Der Ausdruck “wie Lämmer zur Schlachtbank” stammt von einem jüdischen Mädchen, die mir das erklärt hat.)
Die dritte schließlich bilden die jüdischen Einwanderer der letzten Jahrzehnte. Ein Großteil stammt aus den USA, allen voran aus Brooklyn; viele stammen aus Russland.
Zurück zu den Soldaten: Die Arbeit als Soldat auf den Straßen zählt nicht zu den tollen Arbeiten beim Militär (Jobs, mit denen man in seinem Lebenslauf glänzen kann, ist z.B. als Pilot oder als Soldat einer Sondereinheit) und da die aus dem Osten stammenden Juden auch nicht besonders gut angesehen werden, passt diese Arbeit ja gut zu ihnen. Und so werden die oft dunkelhäutigen Jungs eben für die Straßenkontrollen eingesetzt. (Ich nehme schon einmal vorweg, dass die Israelis das rassistischste Volk sind, das ich je besucht habe).
3. Es fällt auf, dass irgendwie jeder Soldat anders aussieht. Bei den Männern merkt man es vor allem an der Ausrüstung: manche haben einen Helm am Rucksack, manche haben keinen oder erst gar keinen Rucksack, manche haben einen Gurt über ihrer Uniform, mache tragen eine Mütze und irgendwie sehen alle anders aus. Es wirkt echt so, als hätten sie morgens alle zusammen vor einem riesigen Schrank gestanden, in dem ganz viel Zubehör liegt und jeder hätte sich was ausgesucht. Kurios.
Der Extremfall sind Soldaten, die in zivil rumlaufen oder mit anderen Soldaten zusammenstehen – aber mit umgehängten Maschinengewehr. Krass. Wir sind uns nicht ganz sicher, aber nehmen an, dass die Soldaten ihre Waffen nach Dienstschluss mit nach Hause nehmen (ist in der Schweiz auch so, habe ich gehört.). Verrückt.
Noch auffälliger ist es bei den Mädels: Sie frisieren sich, wie sie wollen, tragen zum Teil starkes Make-up und oft auffälligen Schmuck oder stylische Sonnenbrillen. Viele sehen allen ernstes aus, als würden sie gleich in die Disco gehen! Rote, große Plastikohrringe, strubbelig gestylte Haare. Bei Männlein wie Weiblein darf das Kaugummi nicht fehlen, wer rauchen will raucht und wer Lust hat, mit seinen Freunden zu kommunizieren, telefoniert den ganzen Tag. Soldaten-Pärchen oder gemischte Pärchen (ein Soldaten und ein Ziviler) laufen (im Dienst) händchenhaltend durch die Gegend und irgendwie hat man durchweg den Eindruck: hier fehlt Disziplin. Ich dachte immer, das ist die Hauptsache beim Militär. Mein Bruder hatte schon gehört, dass das israelische Militär äußerlich sehr locker ist – immerhin soll es ja Spässchen machen..
Was mich auch überrascht hat war, dass sie sich alle fotografieren lassen. Ich dachte in einem Hochsicherheitsstaat wie Israel wäre das nicht erlaubt, aber ihr habt Glück
Die israelischen Soldaten stehen übrigens auch im muslimischen Viertel rum, was ja eindeutig Ostjerusalem und somit palästinensisch ist (dazu später). Anschaulicher kann Besetzung nicht sein…
Pflichtbewusst haben wir uns auch ein paar religiöse Highlights angetan – äh… zu Gemüte geführt. Wir haben den Kreuzweg bis auf ein paar Stationen am Ende (natürlich die wichtisten, haha) nachvollzogen, was nicht sehr spektakulär war, und haben das Geburts”haus” Marias, der Mutter Jesu, besucht, das jedoch eher einer Geburtshöhle glich… (war auch unterirdisch). Arme Maria..
Und natürlich waren wir auch im muslimischen Viertel – so schön bunt und lebendig! Naher Osten, ich liebe dir!
Mjam… (Percy, acabo de ver esas empanadas!! Como no las vimos y compramos?!)
Das Damaskus-Tor, Eingang zum muslimischen Viertel und das größte von sieben Toren der Stadtmauer.
Und ein glückliches Geschwister-Pärchen
Der erste Gesamteindruck von Jerusalem war ein sehr idyllischer: die drei Weltreligionen leben hier friedlich nebeneinander her. Juden und Moslems kommunizieren zwar nicht wirklich, aber begegnen einander respektvoll. Christen machen eh keine Probleme. Keine Spur von einem Konflikt. Denkt man hier…
Ganz witzig war auch noch die Suche nach typisch israelischem Essen, die sich als gar nicht einfach rausstellte. Wie jemand sagte, den wir nach einem Restaurant mit israelischem Essen gefragt haben: “Was soll den israelisches Essen sein? Falafel?!” und lacht sich kaputt. Haha!
Wir haben aber doch noch etwas gefunden, nämlich diesen leckeren Kuskus mit Gemüse (vor allem Kürbis) und Fleisch und einen leckeren Eintopf mit Rotweinsauce.
Davor noch Brot mit Dips – supi
Am zweiten Tag nach unserer Ankunft in Jerusalem war tragischerweise Shabbat, der bei Sonnenuntergang beginnt und 24 Stunden dauert. Tragisch, weil während dieser Zeit nicht gearbeitet werden darf – was bedeutet: alles ist zu!!!! Restaurants, Cafés und Geschäfte sowieso. Selbst der öffentliche Nahverkehrt wird stark eingeschränkt. In ganz Jerusalem gibt es drei oder vier Restaurants, die trotz Shabbat offen haben – und zum Glück haben wir kurz vor’m Verhungern eines davon gefunden! Ein Libanese – sehr lecker und super Bedienung. Äm, das auf dem Foto sind nur die Vorspeisen
Kategorien : Israel/Palästina
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