Ich war gerne in Städten in der Westbank. Die Leute waren so nett und es war so schön wie halt im Nahen Osten (Israel ist ja sehr westlich). Unzählige Male wurde ich willkommen geheißen und zwar nicht von eigennützigen Geschäftsleuten (auch, aber nicht oft), sondern von Passanten oder auch von Händlern, die aber nicht erwarteten, dass ich anhielt, um ihre Ware zu kaufen. Lustigerweise war das auch in Ost-Jerusalem so, während ich in Israel nie “welcome” auf der Straße gehört hab. Die arabische Gastfreundschaft halt…
Aber obwohl ich gerne in der Westbank war, muss ich schon sagen, dass es nicht wirklich viel zu sehen gibt dort. Oder anders gesagt: Wäre ich religiös gäbe es bestimmt viele Orte, aber mich interessiert nicht so brennend an welcher Stelle Jesus angeblich über’s Wasser gegangen ist (obwohl das in Israel war, nicht in der Westbank, aber mir fällt gerade kein anderes Beispiel ein) und offen gestanden hat mich auch Bethlehem nur sehr mittelmäßig interessiert und ich bin nur hingefahren, weil ich dachte, wenn ich schon mal her bin….Außerdem ist es schon so, dass sich die Städte extrem ähneln, also eigentlich sehen sie fast alle gleich aus, haha, nämlich mit viel Beton, fast ausschließlich Klotz-Bauten und so gut wie kein Grün.
Politisch ist die Westbank natürlich hoch interessant, aber man muss eben auch Zugang zu Informationen, also in erster Linie zu Menschen haben, denn sonst ist es fast unmöglich hinter die Fassade zu kucken.
Die erste Stadt, die mein Bruder und ich alleine (also ohne Tour) in der Westbank besucht haben, war Ramallah und es war echt cool. Das bunte Treiben (denn es ist wirklich bunt), das leicht chaotische und das Lebhafte ist einfach schön! (Nur etwas kühl war’s!!)
Übrigens sind die Taxis in der Westbank voll oft Mercedese! Hatte ich jetzt nicht wirklich mit gerechnet… Sowieso sah alles gar nicht so ärmlich aus, wie ich es mir zugegebenermaßen vorgestellt hatte. Man sah kaum alte Schrottlauben auf der Straße, aber dafür große Jeeps und halt die Mercedes-Taxis.
Arafat ist in Ramallah beigesetzt und so machten wir uns auf zu seinem Grab, das aber unerwarteterweise sehr nüchtern gehalten ist. Es gibt noch nicht mal ein Bild von ihm! Man betritt das Gelände durch ein Tor, das durch palästinensische (!!) Soldaten bewacht wird. Einer von ihnen begleitet einen in das “Gebäude” oder wie man es nennen soll (siehe Foto), in dem Arafats Grab ist (ich weiß gar nicht, ob “Grab” das richtige Wort ist, es ist so ein Steinsarg).
Der Raum ist sehr hoch und kahl, nur ein paar wenige Blumenkränze stehen in der Ecke, die andere Staaten anlässlich seines Todes geschickt haben. Hinter dem Grab stehen zwei Soldaten, die sich offensichtlich nicht bewegen und auch nicht reden dürfen. Der uns begleitende (und sehr nette) Soldat forderte uns aber dazu auf, Bilder mit ihnen zu machen. Ok!
Was ich aber richtig cool fand, war ein großer Platz ganz in der Nähe von Arafats Grab. Der Platz war von zahlreichen Flaggen verschiedener Länder umgeben!! Juhuuuuuu!
Was es damit auf sich hat, erahnt man ja schon grob beim Blick auf’s Foto: Palästina will das 194. Mitglied der UN werden. Die Flaggen um den Platz (die vierte von rechts ist die chilenische! ) sind die derjenigen Länder, die Palästina bereits anerkannt haben. Darüber, wie viele es genau sind, besteht anscheinend Uneinigkeit, obwohl ich nicht verstehe, was daran so schwer sein soll, eine genaue Zahl festzustellen. Die PLO spricht von 130 Staaten, im Internet habe ich “mindestens 112” und “über 100” gefunden. Na, es sind jedenfalls viele und mehr als die Hälfte der UNO-Länder.
Wer ein bisschen mehr wissen will, hier eine kurze Zusammenfassung des Stands von Mitte Dezember: http://news.nationalpost.com/2011/12/15/palestinian-statehood-recognized-by-more-than-100-countries/ Der Artikel ist nicht gerade brilliant geschrieben, aber gibt kurz und knapp ein paar Schlüsselinformationen.
Cool fand ich auch, dass Straßen nach den Staaten benannt werden, die Palästina anerkannt haben. Und so kam es, dass wir plötzlich in der Chile Street standen! Yeeeah!!!
Etwas schmunzeln musste ich, als ich die Erläuterung unter dem Straßenschild gelesen habe, in der steht, Chile liegt da-und-da, blabla und wurde so-und-so-lange von den Spaniern besetzt. Fand ich lustig, dass sie da so den Fokus auf die Besetzung gelegt haben.
Und das war’s schon von Ramallah. Hier noch ein Bild, das das ganz normale Ramallah zeigt. Ihr seht, es sieht nicht aus, als würden die Häuser gleich zusammenkrachen oder so. (Bitte auch das kleine Auto links beachten..) Warum hatte ich nur dieses Bild von der armen, in sich zusammen fallenden Westbank im Kopf?? Bin froh, dass ich die Chance hatte, es zu korrigieren!!
Der nächste Halt in der Westbank war Bethlehem, wo ich aber leider schon alleine, also ohne mein Brüderchen hinfahren musste. Natürlich habe ich mir die Geburtskirche angesehen und auch die Milchgrotte oder wie sie hieß. Aber alles nur pflichtbewusst. Für religiöse Menschen mögen es beeindruckende und wichtige Orte sein – ich fand’s irgendwie nicht so spannend.
Die Geburtskirche aus dem 4. Jahrhundert:
Das Eingangs”portal”, höhö:
Es war mal größer, wurde aber von irgendwem in der Vergangenheit zugemauert, damit der Feind nicht mit dem Pferd durch reiten konnte oder so ähnlich. Jaja, etwas schwammige Informationen heute, aber ist halt nicht gerade ein Thema, das mich vom Hocker reißt.
Für die, die genauso unwissend sind wie ich es war: Jesus wurde ja in einem Stall neben einer Herberge geboren (ja, soweit wusste ich das noch aus der Weihnachtsgeschichte). Wie ich jetzt feststellte, handelt es sich aber eher um so was wie einen halb unterirdischen Stall oder so, eigentlich ist es nämlich eine Grotte. Der Geburtsort ist durch einen Stern gekennzeichnet und die Gläubigen knien nieder und küssen den Stern.
Und dann wurde später halt eine Kirche drauf gebaut, weil es immerhin Jesus’ Geburtsort ist. Die Herberge, die Maria und Josef nicht aufnehmen konnte (oder wollte?), existiert übrigens immer noch:
Ich frage mich, ob Jesus auch so erfolgreich gewesen wäre, wenn er völlig unspektakulär in dieser Herberge zur Welt gekommen wäre…
Ich habe übrigens einen Guide genommen, der da so vor der Kirche stand und so kam ich in den Genuss des folgenden Erlebnisses: Bevor man ein paar Stufen zur Geburtsstätte Jesus hinabsteigt, steht links eine Säule, auf der Jesus (oben) abgebildet ist. Dann die Frage des Guides: Sind seine Augen geöffnet oder geschlossen? Was sagt ihr?
Ich sagte: “geschlossen”. Er: “Kuck nochmal. Geöffnet oder geschlossen?” – “Äh, geschlossen” – “Kuck nochmal.” Ääääh, ok, die richtige Antwort war offensichtlich “geöffnet”. Und gerade, als ich es sagen wollte, sah ich die Augen dann wirklich geöffnet! Da freute sich der Guide und sagte mir, dass die geöffneten Augen bedeutet, dass Jesus einen segnet. Hat er die Augen geschlossen, tut er es nicht. Puh, da hab ich ja Glück gehabt, dass mein Guide so geduldig war .
Ich, völlig hin und weg von der Weihnachtskrippe:
Nehmt’s mir nicht übel, wenn ich ironisch oder sarkastisch oder sonst was bin. Dieser Religionskram ist einfach nicht mein Ding. Stattdessen hab ich meinen Guide lieber zur politischen Situation in Bethlehem befragt, nach Siedlungen usw, aber leider war er nicht sehr gesprächig, obwohl er mir immerhin ein paar Siedlungen gezeigt hat, die man auf Hügeln in der Nähe sehen konnte. Er hatte wohl einfach nicht so viel Übung in politischen Touren…
Aber zur Krippe muss ich sagen, dass sie wirklich ganz schön war. Die Figuren waren schön und vor allem den stark pigmentierten Mitbürger (Balthasar????) fand ich sehr ausdrucksstark.
Wie erwähnt war ich auch in der Milchgrotte. Dort ließ Maria einen Tropfen Milch auf einen Stein fallen und dieser wurde weiß. Aha. Frauen, die keine Kinder bekommen können, gehen in diese Grotte, kratzen an einer bestimmten Stelle etwas vom Fels und streichen sich das auf die Brust. Danach klappt’s dann wundersamerweise mit dem Nachwuchs. Hab ich mir mal notiert für den Fall der Fälle .
Ich muss sagen, ich war ehrlich erstaunt, das folgende Bild in der Milchgrotte zu finden:
Ich meine es echt nicht böse, aber ich hätte nicht gedacht, dass die Kirche es zulässt, dass jemand Marias Brust malt . Die sind doch da immer eher etwas konservativ.. .
Das war’s mit den religiösen Sehenswürdigkeiten in Bethlehem! Auf dem Weg zum Bazar stellte ich fest, dass Chile auch in Bethlehem beliebt ist (keine Ahnung, aus welchem Grund!):
Meine Aufmerksamkeit und Begeisterung war aber erst bei diesem Anblick wieder voll da: Eine schöne Moschee mit Palmen davor und das direkt gegenüber der Geburtskirche und einem riesigen Weihnachtsbaum! Das sind die Dinge, die mich begeistern und die ich so liebe, nämlich die Mischung der Kulturen, die da friedlich nebeneinander her existieren.
Danach hab ich noch eine Runde über den Bazar von Bethlehem gedreht (eigentlich nur zwei Straßen), der ganz nett war und bin zurück nach Jerusalem. Hier noch ein paar Fotos:
Mercedes-Taxi:
Frischen Granatapfelsaft gibt’s überall zu kaufen:
Ein Haus in der Altstadt:
Internationaler Humor in zwei Sprachen:
Der einzige Ort in der Westbank, an dem ich mehrere Tage verbracht habe, war Nablus. Ich muss aber gestehen, dass ich außer am letzten Tag kaum draußen war, weil ich dringend Zeit für mich und meine Gedanken brauchte. Aber ich glaube sooo viel gab’s auch nicht zu sehen. Leider hab mich erst beim Auschecken zum ersten Mal mit einem der Rezeptionisten unterhalten. Er war sehr nett und politisch aktiv, so dass es viel Gesprächsstoff gab. Für Nachmittags bot er an, mir Nablus von der politischen Seite zu zeigen, aber ich war für Abends mit Tali in Jerusalem verabredet, um zum arabisch-hebräischen Musikabend zu gehen, so dass ich das Angebot leider nicht annehmen konnte.
Der Bazar von Nablus ist viel größer als in anderen Städten und zieht sich durch viele Straßen. Es war richtig cool, so authentisch, so super und so lief ich mit großen und staunenden Augen durch die Straßen und freute mich
Hier ein paar Bilder (das ist noch nicht der Bazar, aber ich finde das normale Straßenbild auch immer interessant):
Hier fängt er an, der Bazar:
Die Hühner werden hier lebend verkauft! Heißt das, dass alle Hausfrauen die Hühner selber killen oder gibt es eine andere Möglichkeit?
Eingelegtes in kuriosen, aber schönen Farben:
Erfüllt wahrscheinlich die deutschen Hygienestandards nicht :
Diese Farben!!!! Diese Sonne!!
Die typischen Häuser des Nahen Ostens:
Märtyrer… oh je…
Hat der echt ein Spiderman-T-Shirt an?!?
Und zum Schluss die Altstadt – schön!!!
Ach ja, Modernes gibt’s hier auch (zentraler Platz von Nablus). Zwar nicht im Übermaß, aber hin und wieder:
Jetzt noch ein Foto von Nazareth. Dort bin ich auf meinem Weg nach Amman nur umgestiegen, aber vielleicht kriegt ihr so langsam eine Ahnung, warum ich sage, dass die Städte hier irgendwie alle gleich aussehen…
Und das war’s von eurer rasenden Reporterin aus der Westbank!
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