Amerikas geheimer Krieg in Laos

27 05 2012

Hier durch die neuere Geschichte zu steigen, ist nicht gerade einfach. Sie ist sehr eng verknüpft mit der Kambodschas und insbesondere der Vietnams. Eine Trennung ist praktisch unmöglich und so habe ich in den letzten Tagen versucht, mir ein Bild der Geschehnisse in diesen drei Staaten zu machen. Ein Bild, das vor allem durch Kriege geprägt ist und dabei spannender und haarsträubender ist als jeder Thriller!

Laos war von 1893 bis 1954 – mit einer kurzen Unterbrechung während des zweiten Weltkrieges – französische Kolonie und bildete zusammen mit Vietnam und Kambodscha Französisch Indochina. Nach dem zweiten Weltkrieg entfesselte sich ein Krieg um die Unabhängigkeit der drei Länder, der als französischer Krieg oder Erster Indochina-Krieg in die Geschichte einging. Er endete 1954 mit der Genfer Konferenz, in der die Unabhängigkeit der drei Länder festgeschrieben wurde. Vietnam wurde in den kommunistischen Norden und in eine konstitutionelle Monarchie im Süden geteilt. Letztere wurde von Amerika unterstützt.

Laos erklärte sich in der Genfer Konferenz als neutral, um nicht in den Kalten Krieg hineingezogen zu werden. Doch das Land hatte innenpolitische Probleme: die Genfer Konferenz führte zu einer de facto Spaltung des Landes, in der die kommunistischen Pathet Lao den Norden kontrollierten und die königliche Regierung den Westen und den Süden. Es war der Auftakt zu einem Bürgerkrieg, der bis 1975 anhielt. Auch in Laos wurden die anti-kommunistischen Kräfte, also die Königstruppen, von den USA unterstützt.

Zwischen 1957 und 1960 begannen nun auch Russland und China damit, ihre Gesinnungsgenossen in Laos u.a. durch Waffenlieferungen zu unterstützen. Da Laos seine Neutralität erklärt hatte, durften sich offiziell keine ausländischen Truppen im Land aufhalten. Um dies einzuhalten, aber trotzdem nicht tatenlos zuzusehen, wie die Kommunisten zusehends stärker wurden, begannen die USA damit, die Hmong auszubilden und auszurüsten. Die Hmong sind eine Volksgruppe, die bereits gegen die kommunistischen Pathet Lao kämpfte, die aber selbstverständlich nicht über viel kriegsrelevantes Wissen und Waffen verfügten, bis die CIA begann, sie zu unterstützen.

1963 begannen die USA das, was heute der Geheime Krieg genannt wird: Sie begannen mit der Bombardierung Laos’. Hierfür gab es vor allem zwei Gründe: Im Rahmen der Dominotheorie (vereinfacht: wenn ein Land an den Kommunismus fällt, fallen die anderen wie die Dominosteine) war Laos ein zentraler Faktor. Um also die Ausbreitung des Kommunismus aufzuhalten, unterstützten die Amis die laotischen Königstruppen im Kampf gegen die Pathet Lao.

Darüber hinaus war aber auch der vietnamesische Konflikt nach Laos hinübergeschwappt: der kommunistische Norden Vietnams unterstütze die gleichgesinnte Opposition im Süden des Landes durch Waffenlieferungen usw. und wählte dazu eine Route, die über Laos verlief: es entstand der sogenannte Ho-Chi-Minh-Pfad. Aus Sicht der Amerikaner und Südvietnamesen natürlich eine große Bedrohung, auf die mit der Bombardierung des Pfades reagiert wurde.

Da diese ausländische Einmischung in Laos sämtlichen Abkommen zuwiderlief und darüber hinaus von der amerikanischen Öffentlichkeit nicht mitgetragen wurde, wurde der Krieg – so unglaublich es klingt – geheim gehalten. Sechs Jahre lang wusste die westliche Öffentlichkeit nichts davon, dass Amerika Laos bombardierte. Und nicht aus Ignoranz, sondern weil Kennedy, Johnson, Nixon und Konsorten die Öffentlichkeit systematisch belogen.

Neun Jahre lang bombardierten die USA Laos täglich im acht-Minuten-Takt mit insgesamt 2 Millionen Tonnen Bomben. Die Bombardements konzentrierten sich auf den Nordosten des Landes, da sich dort die Pathet Lao aufhielten, sowie auf den Südosten, wo der Ho-Chi-Minh-Pfad verlief.

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Ein Jahr nach Beginn der Bombardierungen beschlossen die Pathet Lao, ihr Hauptquartier nach Vieng Xai nahe der vietnamesischen Grenze im Norden des Landes zu verlegen. Mit ihren 480 natürlichen Höhlen bot die Gegend besseren Schutz gegen die Bomben als jede andere.

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In rund 200 Höhlen quartierten sich die Führer der Pathet Lao sowie die Zivilbevölkerung ein und lebten dort unglaubliche neun Jahre. Heute sind mehrere Höhlen für Besucher geöffnet und so setzte ich mich in den Bus und machte mich auf den recht langen Weg. Unterwegs traf ich den wahrscheinlich gebildetsten Amerikaner aller Zeiten und so reisten wir diesen geschichtsträchtigen Abschnitt gemeinsam, was aufgrund seines Wissens sehr interessant war.

Leider hab ich an dem Tag meine Kamera vergessen und mein Reisegefährte ist nicht so fotowütig wie ich, so dass ich nur wenige Fotos habe. Es war aber sowieso schwer, die Höhlen zu fotografieren. Wie auch immer: Einige der Höhlen wurden durch Sprengungen vergrößert, es wurden Wände eingezogen und Wellblechdächer angebracht, so dass man zum Teil vergisst, dass man sich in einer Höhle befindet.

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Es gab nicht nur Zimmer, sondern auch Büros, Krankenzimmer, kleine Märkte und sogar ein Theater:

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Hier wurden Feste, wie z.B. Hochzeiten, gefeiert, aber auch wöchentlich Filme gezeigt. Irgendwie hatte ich Schwierigkeiten das Höhlenleben mit Kino in Verbindung zu bringen. So als würde mein Hirn nicht verstehen, dass Menschen auch in moderner Zeit in Höhlen leben und dabei über Strom verfügen können und dass Höhlenleben nicht gleichbedeutend mit einem Leben als prähistorischem Jäger und Sammler ist.

In jeder Höhle einer Führungspersönlichkeit befand sich ein “Emergency Room”, ein kleiner Bunker, der mit einer handbetriebenen Sauerstoffpumpe ausgestatten war. Diese sollte nicht nur für Sauerstoff sorgen, wenn dieser im kleinen Raum knapp wurde, sondern dem Raum auch im Falle eines Angriffs mit Chemiewaffen gereinigte Luft zuführen.

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Die größte Höhle, in deren hinterem Teil sich das Theater befand, wurde als Kaserne genutzt, in der teilweise 2000 Soldaten untergebracht waren. Eigentlich handelte es sich dabei nicht um eine große, sondern um ein mit Gängen verbundenes Netzwerk mehrerer Höhlen. Hier einer der Gänge:

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Es fällt schwer sich vorzustellen, wie die Zivilbevölkerung hier über so viele Jahre gelebt hat. Täglich wurden viele, viele Bombenangriffe geflogen, so dass die Menschen ihre Höhlen nicht verlassen konnten. Erst im Schutze der Dunkelheit konnten sie ihre Felder bestellen und sich auf Essenssuche begeben. Selbst das Kochen brachte Schwierigkeiten mit sich, da Feuerstellen im Freien den Aufenthaltsort der Menschen durch die Rauchentwicklung verraten konnte. Kochte man in der Höhle, war die ganze Höhle voller Rauch. So wurde meistens nachts für den nächsten Tag vorgekocht.

Die Piloten der Flugzeuge hatten keine Regeln bzgl. ihrer Bombenabwürfe. Während sie in Vietnam zum Beispiel keine Bomben in einem Radius von 500m um einen Tempel abwerfen durften, hatten sie in Laos freie Hand. Sie wurden instruiert auf Hühner und Enten zu achten, die ein Beleg für menschliche Anwesenheit war und ihre Bomben dort abzuwerfen.

Man muss bedenken, dass die Zivilbevölkerung aus einfachen Bauern bestand, die meist über keinerlei Bildung verfügten. Viele hatten noch nie von Amerika gehört geschweige denn vom Kalten Krieg und trotzdem fielen Jahre lang Bomben auf ihre Häuser, Familien und Tiere, ohne dass sie auch nur ansatzweise den Grund dafür verstehen konnten. Die Unschuld der Bevölkerung und das zur gleichen Zeit so große Leid hat mich tief erschüttert.

Es gibt viel zu erfahren darüber, wie die USA in Laos operierten. So stellte sich nach dem Krieg heraus, dass eine große Cargo-Airline, die Air America, der CIA gehörte. Es gab zudem einen geheimen Flughafen mitten in Nord-Laos, der sich zur zweitgrößten Stadt des Landes entwickelte, ohne dass man sie je auf einer Karte hätte finden können.

Eine herausragende, knapp einstündige Doku über Amerikas geheimen Krieg gibt es hier:

Die Piloten, die die Angriffe auf Laos flogen, hießen “the Ravens”. Da sich offiziell keine ausländischen Truppen in Laos aufhalten durften, lebten sie mit falscher Identität als Zivile unter den Hmong. Selbst die Angehörigen der Soldaten wussten nicht, wo diese sich aufhielten und worin ihre Arbeit bestand. Eine nicht gerade neutrale, aber trotzdem sehenswerte Doku gibt es hier: www.youtube.com/user/LukeVang/videos?query=ravens

Der Geheime Krieg in Laos endete ebenso wie der Vietnamkrieg (auch Zweiter Indochina-Krieg oder Amerikanischer Krieg genannt) nicht mit dem Sieg der Amerikaner. 1973, als die Kampfhandlungen in Vietnam mit dem Pariser Abkommen beendet wurden, schlossen die Pathet Lao und die Regierungstruppen Frieden. Doch die Lage blieb unruhig und 1975 marschierten die Pathet Lao in der Hauptstadt Vientiane ein. Die Monarchie wurde abgeschafft und die Lao People’s Republic ausgerufen. Die Pathet Lao heißen heute Lao People’s Revolutionary Party und sind bis heute an der Macht.

Diese Entwicklung war verhängnisvoll für die Hmong, die die Amerikaner unterstützt hatten. Nur eine Minderheit war mit den Amerikanern evakuiert worden. Die restlichen Kämpfer verblieben in Laos, wo sie der Verfolgung durch die neue Regierung ausgesetzt waren, ohne dass Amerika auch nur einen Handschlag für sie getan hätte. Bis heute gibt es Konflikte zwischen den Hmong und der Regierung.

Laos’ Vergangenheit ist nicht nur ein tragisches Stück Geschichte unserer Welt, sondern macht auch eins klar: Die politische Welt operiert mit Lügen, Propaganda und Gehirnwäsche. Das war in der Vergangenheit so und es gibt keinen Grund, warum sich das bis heute geändert haben sollte. Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir uns mit der heutigen Politik beschäftigen.



Ich habe die Wahl

21 05 2012

“You have the choice. If you want, you can leave. We have to stay here”. An diesen Satz unseres Tour-Guides in Palästina habe ich nach den letzten zwei Tagen wieder gedacht. Heute bin ich in Vieng Xai, einer kleinen Stadt nahe der vietnamesischen Grenze, angekommen. Herzukommen war nicht so einfach wie man vermuten könnte. Die Kurzfassung:

Donnerstag: Ich erkundige mich nach dem Nachtbus von Nong Kiao nach Xam Neua. Von dort aus kann ich nach Vieng Xai weiterreisen. Die Antwort lautet: “Warte einfach hier im Restaurant. Der Bus kommt irgendwann zwischen 20 und 24h vorbei. Manchmal kommt er allerdings gar nicht.” Haha! Leider war jedoch letzteres der Fall und nach fünf stündiger Warterei (zum Glück mit netter Gesellschaft) quartierte ich mich nochmal im Hostel ein.

Freitag: um 11.15h bin ich an der Busstation, um den Minibus um 12h zu nehmen. Aber der fährt heute nicht, weil es nicht genug Nachfrage gibt. Stattdessen wird wieder auf den Nachtbus verwiesen, der zwischen 20 und 21h kommen soll. Alternativ könnte ich mir für 85€ auch einen eigenen Bus und Fahrer mieten, aber das ist mir natürlich zu teuer. Immerhin, die theoretische Möglichkeit besteht. Aber ich gebe lieber dem Nachtbus und mir nochmal eine Chance und zockle ins Hostel zurück. Um 22h ist der Bus da und rappelvoll. Mit Klebeband hat jemand “VIP” auf den Bus geschrieben. Drinnen ist es eng, der Boden liegt voller Gepäck und ich hangle mich an der Stange über meinem Kopf entlang, bis ich einen freien Sitz finde. Glück für mich, denn die nächsten, die einsteigen, sitzen auf Plastikhockern im Gang (da, wo kein Gepäck liegt).

Nach 11 Stunden haben wir die 250Km hinter uns gebracht, die uns von Xam Neua trennten. Ich habe (wie immer) relativ gut geschlafen und musste während der Busfahrt immer mal wieder lachen über diese Situation im Bus. Es ist eben Teil des Reiseabenteuers und einfach eine Erfahrung. Das ist allerdings nur die eine Sicht der Dinge. Was ist, wenn man in diesem Land lebt und das Alltag ist? Alltag, dass der Bus unter Umständen einen Tag später kommt, als man ihn eigentlich braucht, Alltag, dass er für 250Km 11 Stunden braucht und Alltag, dass man wie die Ölsardinen da drin sitzt. Alltag, dass man in 11 Stunden keine Möglichkeit hat, eine echt Toilette aufzusuchen, sondern nur die Büsche und Alltag, dass man 11 Stunden lang mit Musik zugedröhnt wird. Das ist einfach Mist. Anders als ich haben die Leute nämlich nicht die Wahl. Sie können nicht denken “was für ein lustiges, zeitlich begrenztes Abenteuer”, weil es für sie immer so sein wird und sie haben auch nicht die Möglichkeit, im Notfall auf den 85€-Privatbus umzusteigen, weil das hier bestimmt keiner bezahlen kann.

Seit mehreren Wochen tingele ich schon durch Kambodscha und Laos und die einfachen Holz- und Bambushütten am Straßenrand sind ein gewohnter Anblick. Oft bin ich erstaunt wie schnell ich mich an Dinge gewöhne. Nur hin und wieder assoziiere ich die Hütten mit Armut, obwohl sie eigentlich geradezu danach schreien. Viele der Bungalows, in denen Backpacker übernachten, sehen sehr ähnlich aus wie diese Häuschen am Straßenrand und oft genug habe ich in ihnen übernachtet. Aber manchmal, wie in Nong Kiao, habe ich die Schnauze voll und miete mich zum doppelten Preis (8 statt 4€) in einem schönen Zimmer mit Betonwänden und Bad ein. Aber was ist mit der Bevölkerung hier? Sie haben wieder nicht die Wahl. Sie teilen ihre kleine Hütte mit der gesamten Familie und wenn sie die Schnauze voll haben, müssen sie halt trotzdem da bleiben.

Gerade waren wir (ich und mein momentaner Reisegefährte) essen. Wir saßen auf Plastikstühlen in einem mittelgroßen Raum, rechts von uns die offene Küche. An der hinteren Wand waren hinter ein paar Vorhängen Betten zu erkennen und als ich auf Toilette ging, stelle ich fest, dass es sich um das Bad der Familie handelte. Kein Dusche, sondern nur “bucket shower”, heißt: ein Bottich, in dem eine Schüssel schwimmt, mit der man sich das Wasser über den Kopf schüttet. Die Betten hinter dem Vorhang, das Bad… das heißt sie wohnen hier. Im Restaurant.

Ich bin in ein Land und in eine Lebenssituation hinein geboren, die mir nicht alles, aber vieles ermöglicht. So kann ich wählen, in ein armes Land zu reisen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln reisen und mich in ähnliche Hütten einquartieren wie die, in denen die Einheimischen leben. Aber ich kann mich auch dafür entscheiden, hin und wieder in teureren Unterkünften zu übernachten oder erst gar nicht zu reisen, sondern in meinem schönen, bequemen Zuhause zu bleiben. Oder in ein reiches Land reisen, auch wenn mein Geld dort nicht so lange hält. Oder, oder, oder.

Heute ist mir klar geworden, was der eigentliche Luxus in meinem Leben ist: nämlich die Wahl zu haben.